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AutorenbildDr. Bettina von Seefried

Erfahrungsbericht

17. November 2024

 

Ich bin als Gynäkologin nun das zweite Mal im Charlotte Hospital in Sanya Juu. Das erste Mal war ein Einsatz im Januar für zwei Wochen mit einer Gruppe, die von MMN zusammengestellt war, diesmal bin ich für eine Woche als Einzelperson hierher gekommen.

Die Schwestern hier vor Ort der Gemeinschaft vom Heiligen Geist haben mich erneut herzlich empfangen und umsorgt. Ihr Einsatz im Charlotte Hospital beeindruckt mich zutiefst.

Diese Woche haben wir einiges operiert, von dem ich berichten könnte, alle Operationen sind gut gegangen und die Patientinnen haben sich ohne Komplikationen erholt.

Ich bin überzeugt, dass man solche Arbeitseinsätze nur machen kann, wenn man im Herzen vom Ort, vom Projekt und von den Menschen berührt wird und das ist mir hier wohl geschehen und bedeutet für mich ein grosses Glück. Davon möchte ich hier berichten an einem Beispiel.

Eine werdende Mutter vom Stamme der Massai, meines Erachtens kaum 16 Jahre alt, kam schwanger mit dem ersten Kind und gesichert drei Wochen über Termin zur Geburt. Wir mussten einen Kaiserschnitt durchführen, das Kind war durch Übertragung bereits durch grünes Fruchtwasser in der Hautfarbe verfärbt und hatte einen sehr schweren Lebensstart. Da ich Erfahrung habe in Neugborenenreanimation habe ich für meine Verhältnisse massiv durchgegriffen, Befehle erteilt, was ich nun brauche, der Krankenpfleger ist durch das Spital gerannt, um mir die nötige Sauerstoffflasche und den Ambubeutel zu bringen. Nachdem das Kind noch etwa zwei Stunden Sauerstoff gebraucht hat mit einem so genannten Atemnotsyndrom, hat es sich zunehmend klinisch verbessert und war nach zwei Stunden so gut stabil, dass man es der Mutter bringen konnte. In diesen zwei Stunden ist mir alles durch den Kopf gegangen, was es hier nicht gibt. Alles wo ich zuhause Untersuchungen anordnen könnte und dementsprechend wüsste, ob wir auf dem richtigen Weg sind oder das Kind mehr medizinische Unterstützung braucht. Ich war durch Selbstzweifel geplagt, was bringt so ein Einsatz unter solch beelend bescheidenen Gesamtumständen. Habe ich die Schwestern beleidigt durch mein herrisches Durchgreifen? Geht es ohne mich genauso gut und ich halte mich verbissen an europäische Mindeststandards und bringe hier das System durcheinander? Wie wird das Leben dieser Teenagermutter weitergehen? Völlig erschöpft habe ich mich zurückgezogen, nicht mit Stolz, wie man sich das Denken könnte, sondern mit erschöpfter Verzweiflung.

Am nächsten Morgen habe ich die beteiligten Schwestern wiedergesehen. Im Moment, als ich anfing mich zu erklären, dass ich nicht den Eindruck einer besserwisserischen Europäerin hinterlassen möchte, haben sie mich sofort beruhigt. Sie haben mir versichert, dass alles, was man tun muss, um ein Leben zu retten, getan werden muss. Dass sie lernen möchten, dass es Sinn macht, was wir erlebt haben. Gemeinsam. Wir haben uns zusammengesetzt und wollen gemeinsam dafür sorgen, dass immer alles,  was es im Notfall braucht an seinem Ort ist, nahe bei der Geburtenstation. Und dass es hier einfach so ist, dass Kinder Kinder kriegen. Und dass die junge Schwangere im Vorfeld von einem anderen Krankenhaus in der Umgebung abgelehnt wurde, warum weiss man nicht. Und der Kindsvater war da und die frisch gebackenen Grosseltern.

Man sollte solche Einsätze an Orten machen, die für einen selbst eine Bereicherung sind. Natürlich will man an diesen Orten einen sinnvollen Beitrag leisten, aber es sollte immer auch so sein, dass man selbst dankbar ist für das, was man erleben und lernen darf. Für mich sind es hier die gelebte Barmherzigkeit der Schwestern, die unfassbare Bescheidenheit der Ansprüche ans Leben der Menschen und eine mich berührende Schönheit der Frauen dieses Landes.




52 Ansichten1 Kommentar

1 comentário


Farid Saade
Farid Saade
22 de nov.

Sehr eindrücklich, und wir haben allergrössten Respekt vor Ihrem unglaublichen Engagement. Klar ist es „nur“ der berühmte Tropfen auf den heissen Stein, aber für die betroffenen Patientinnen bedeutet es alles und mehr!

Danke danke für alles, was Sie für die Menschen leisten.

Yvonne und Farid Loosli Saade


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